Gemeinsame Erklärung der GHG Bonn und der Juso-HSG Bonn zur gemeinsamen Erklärung des RCDS und der LHG

Die GHG Bonn und die Juso-HSG Bonn verurteilen die gemeinsame Erklärung des RCDS Bonn und der LHG Bonn zur Besetzung von Hörsaal XVII durch die Gruppe End Fossil Bonn scharf. Wir unterstützen das Handeln des AStA Bonn in dieser Sache und bekräftigen das vom AStA am 11.01.2023 veröffentlichte Statement. 

Am 09.01. besetzte die Gruppe End Fossil Bonn den Hörsaal XVII. Am 14.01. beendete sie diese Aktion.

Wir möchten darauf hinweisen, dass die Erklärung von LHG und RCDS in der uns vorliegenden Form um 19:53 Uhr am 14.01. an den AStA-Vorsitz gesendet wurde. In dieser Erklärung wird gefordert, dass End Fossil Bonn den Hörsaal XVII verlassen möge. Zu diesem Zeitpunkt war dies jedoch bereits geschehen. Die Gruppe hatte den Hörsaal am Morgen des 14.01. verlassen, um gemeinsam nach Lützerath zu fahren, und dies ebenfalls über den Instagram-Kanal publik gemacht.

Ziviler Ungehorsam und Versammlungsfreiheit als unverzichtbarer Teil einer Demokratie

Im Gegensatz zu RCDS und LHG sind wir der Meinung, dass Hörsaalbesetzungen grundsätzlich ein legitimes (und demokratisches) Mittel des zivilen Ungehorsams sein können. Die Anschuldigung der Hochschulgruppen, dass die Hörsaalbesetzung durch End Fossil Bonn „weder ein legitimes noch ein demokratisches Mittel“ gewesen sei, erachten wir als absolut unberechtigt. Ziviler Ungehorsam als solcher ist im deutschen Recht weder eine Ordnungswidrigkeit noch ein Straftatbestand. 

Zudem sind Besetzungen von Hörsälen bereits seit der 68er-Bewegung ein wichtiges Mittel von Studierendenprotesten. Der Vorwurf, End Fossil Bonn habe diese Maßnahme „unter Missachtung aller anderen Möglichkeiten des Protestes“ gewählt, halten wir für aus der Luft gegriffen. Studierende nehmen bereits seit Jahren an Demonstrationen für Klimagerechtigkeit teil, doch immer noch passiert viel zu wenig in Sachen Klimaschutz. RCDS und LHG scheinen wohl noch nichts von den Fridays-for-Future-Demonstrationen gehört zu haben; ansonsten würden sie in ihrer Erklärung nicht andeuten, End Fossil Bonn habe ihre Protestform aus purer Ignoranz vor anderen Möglichkeiten gewählt. 

Meinungsäußerungen sind in einem demokratischen System nicht auf den parlamentarischen Weg oder Amtsträger*innen begrenzt. Der Protest gegen Regierungsentscheidungen ist keinesfalls antidemokratisch, sondern – im Gegenteil – ein für den demokratischen Diskurs unverzichtbarer Eckpfeiler. 

Dabei muss nicht jeder Protest ohne jegliche Belastung passieren. Unserem Verständnis nach darf Protest stören und unangenehm sein, um auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen. Die Hörsaalbesetzung durch End Fossil Bonn hat zwar dazu geführt, dass manche Uni-Veranstaltungen anders als geplant abgehalten werden mussten; teilweise wurde End Fossil Bonn aber auch in die Vorlesungen mit einbezogen und es wurde stets friedlich im Sinne eines freien Diskurses, den sich RCDS und LHG laut ihrer Erklärung wünschen, diskutiert. Den Wunsch von RCDS und LHG nach einem “freien Diskurs, der einen Mehrwert darstellt”, sehen wir außerdem in den Forderungen von End Fossil nach Klimagerechtigkeit und interdisziplinären Bildungsmöglichkeiten, in den Vorträgen zu Klimaschutz und (Post-)Kolonialismus sowie in ihrem Einsatz für eine ökologische Uni-Transformation – in also allesamt aktuellen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen – als überaus erfüllt an. 

Die Betitelung von Klimabewegungen als antidemokratisch, linksextremistisch und verfassungsfeindlich

Wir stellen uns die Frage, worauf sich die Forderung des RCDS und der LHG an End Fossil gründet, sich von der Gruppe „Ende Gelände“ zu distanzieren. Besteht für klimaaktivistische Organisationen etwa eine generelle Pflicht, dies zu tun? Worauf basiert diese Forderung? Wenn es darum geht, dass sowohl End Fossil Bonn als auch “Ende Gelände” Klimaaktivismus mit Kapitalismuskritik verbinden, dann positionieren wir uns hiermit klar dazu, dass auch für uns diese beiden Themen untrennbar miteinander verwoben sind. 

Dass die Hochschulgruppen in ihrer Erklärung die „polemische Form“, in der End Fossil Bonn gegenüber dem Rektorat aufgetreten sei, im selben Abschnitt verurteilen, in dem sie behauptet, „antidemokratische Tendenzen vor Ort“ beobachtet zu haben, halten wir für nicht angebracht. Der Vorwurf der Polemik ist keine pauschale Diskreditierung des Protests an sich und sollte daher nicht mit den anderen Punkten durcheinandergebracht werden.

Zudem ist es in unseren Augen unangemessen, die Abbagerung von Lützerath als „rechtmäßige Entscheidung, die in demokratischen Prozessen mehrheitlich entschieden wurde“, zu bezeichnen. Schon die Räumung des Hambacher Forsts 2018 mit ähnlich gewaltsamen Mitteln wurde im Nachhinein für rechtswidrig erklärt. Warum sollte es hier anders sein? Einige unabhängige Gutachten [1,2,3,4,5] haben gezeigt, dass die Kohle unter Lützerath nicht benötigt wird, um die Energieversorgung zu sichern. Bei der politischen Entscheidung, Lützerath abzubaggern, standen die Wirtschaftsinteressen des Konzerns RWE im Vordergrund. Ein früherer Kohleausstieg nützt nichts, wenn genauso viel Kohle in weniger Zeit verbrannt wird. In jedem Fall reißen wir die 1,5-Grad-Grenze – doch diese ist für uns unverhandelbar. Ihre Einhaltung dürfte mit der Verstromung der Braunkohle unter dem Dorf jedoch unerreichbar werden. 

Forderungen an die Universität

Wir begrüßen die Gesprächsbereitschaft der Universität gegenüber den Aktivist*innen von End Fossil. Wenn sich die Universität zur Klimaneutralität bis spätestens 2030 bekennt und Studierende in ihrem Leitbild “WIR für Nachhaltigkeit” als “Treiber*innen von Nachhaltigkeit” bezeichnet, erscheint es für uns selbstverständlich, dass einige Forderungen von End Fossil ebenfalls im Interesse der Universität liegen und dass nicht der Weg der Räumung gewählt wird. Zudem hat das Rektorat bereits am ersten Tag der Hörsaalbesetzung klare Grenzen für diese formuliert und etwa einen friedlichen Verlauf der Aktion eingefordert. Die Räumung einer nicht einmal einwöchigen, friedlichen Klimaschutzaktion wäre darüber hinaus völlig unverhältnismäßig gewesen. 

„Ideologie“ und Allgemeininteresse von Klimaschutz

RCDS und LHG monieren im Besonderen, dass sich durch die Solidarisierung des AStAs mit einer friedlichen Hörsaalbesetzung, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzt, erneut zeige, dass der AStA nicht im Interesse der Studierendenschaft  handele, sondern vor allem eigene, ideologische Motive verfolge. Die Bemerkung, dass Klimaschutz nicht im Allgemeininteresse liege, sondern nur ein Einzelmotiv des AStAs Bonn sei, zeigt, dass RCDS und LHG die gravierenden Auswirkungen der Klimakrise nicht durchdrungen haben.

Wir erwarten daher von RCDS und LHG anzuerkennen, dass Klimaschutz die notwendige Voraussetzung für das Weiterleben auf unserem Planeten und gerechte Lebensverhältnisse ist und daher im Interesse aller liegen muss. 

Demnach erscheint uns die Bemerkung von RCDS und LHG, dass Klimaschutz vom AStA aus rein ideologischen Motiven verfolgt werde, nach ihrer eigenen, stark von Ideologie durchzogenen Erklärung absurd. Warum ausgerechnet die eigene Weltanschauung aus dem Begriff “Ideologie” ausgenommen sein soll, ist uns unverständlich.

Vor diesem Hintergrund weisen wir die Erklärung von RCDS und LHG entschieden zurück und stützen das Handeln des AStA in dieser Sache.


Anhang: Literatur:

[1] Nicolas Leicht & Philipp Hesel 2022

[2] Catharina Rieve, Philipp Herpich, Luna Brandes, Pao-Yu Oei, Claudia Kemfert und Christian von Hirschhausen 2021

[3] Philipp Herpich, … Pao-Yu Oei. 2022

[4] Philipp Herpich, Catharina Rieve, Pao-Yu Oei, Claudia Kemfert 2022

[5] Aurora Energy Research 2022

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